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Philosophische Betrachtung des Tages, und ich möchte vorausschicken, ich habe nie geraucht, es geht mir nicht um das Produkt an sich sondern um den Mechanismus dahinter.
Derzeit häufen sich die Diskussionen um die E-Zigarette. Ob gesund oder schädlich, kann ich als Laie nicht wirklich beurteilen, wie gesagt, Rauchen war nicht mein Thema. Aber mich fasziniert immer der Reflex der Wirtschaft, wenn sie mitbekommen, da ist ein Geschäftsbereich, da naschen plötzlich andere vom Kuchen als die „Alteingesessenen“. Die Bestrebungen heißen nun, doch bitte nur noch in Trafiken (für die deutschen Freunde, das sind in Österreich die Monopolisten beim Verkauf von legalen Drogen, genannt Zigaretten.) Dort werden die E-Zigaretten natürlich nicht weniger schädlich, falls sie es denn sind, aber es kann ja nicht angehen, dass da kleine Händler plötzlich Geschäfte machen, vielleicht sogar im Wohnzimmer!!
KonsumentenschutzIn meiner unmittelbaren Nachbarschaft gibt es eine Apotheke, die so ziemlich alles anbietet, was man zu Geld verarbeiten kann, gerade, dass es nicht auch Coffee2Go dort gibt. (Gerade bei Apotheken kommt mir ganz oft das Wort „Kramladen“ in den Sinn). Natürlich auch Nahrungsergänzung und – mein Thema seit 14 Jahren – Aloe vera. Und daneben betreibt man eine Internetplattform, wo heftig dafür geworben wird, dass Menschen die Aloe doch bitte nur in der Apotheke kaufen sollen, nicht im Wohnzimmer (100ml kosten dort 13 Euro). Wie es mit Beratung in Apotheken so aussieht, das hatten wir ja schon oft genug in diversen Aufdecker-Sendungen.
Nahrungsergänzung war früher, als ich mit Ernährungsberatung angefangen hab, überhaupt kein Reizthema. Alle Kollegen haben das befürwortet, warum nicht? Dann merkte man irgendwann mal, das ist ein riesiges Geschäft und die bösen Kunden kaufen das nicht von der gleichen Pharmaindustrie, die ihnen sonst die Pillen andreht, und sie kaufen es nicht in der Apotheke, sondern ganz woanders, plötzlich kamen nur noch Artikel in die Zeitung, wo davor gewarnt wurde, braucht man nicht, „ausgewogene“ Ernährung (unter der jeder was anderes versteht) genügt. Und wenn, dann doch bitte nicht im Wohnzimmer. 
In meiner Kindheit war es ganz normal, dass Frauen in den Wechseljahren sich in der Apotheke Bor besorgt haben. War frei verkäuflich, ein weißes Pulver, das man als billige Nahrungsergänzung genommen hat, weil es gut war gegen Osteoporose. Dann häuften sich die Meldungen, kann gefährlich sein (ja, wenn man mehrere Kilo auf einmal isst) und plötzlich war es nicht mehr erhältlich, auch nicht in Apotheken. Im gleichen Jahr kam das erste Osteoporosemittel auf den Markt. Ein Schelm, wer Böses denkt.
Bachblüten, Homöopathie, Schüssler Salze oder Aromaöle – der Mechanismus ist immer der gleiche: Jahrzehnte war das Volkswissen, von Frauen  gemischt, vertrieben, verkauft. Wo? Genau, im Wohnzimmer. Dann hat man gemerkt, das ist ja ein Geschäft und kein kleines. Und plötzlich kommt man mit der „wir müssen den Konsumenten schützen“ – Keule.
Und jetzt mal eine reine Gedankenspielerei:
Würde Herr Marlboro morgen beschließen, dass es seine Zigaretten ab sofort nur noch im Hallenbad zu kaufen gibt, würde sich an den Zigaretten nichts ändern, am Preis wahrscheinlich auch nicht.
Würde die Firma mit dem Aspirin (übrigens das beste Beispiel dafür, dass die über Naturheilkunde Nase rümpfenden Pharma-Menschen ihr Wissen, mit dem sie die Kohle machen, meistens aus dem Wissen des Volkes entnommen und verfeinert haben), wenn also diese Firma morgen beschließen würde, Wohnhzimmergeschäft geht auch, wäre es noch immer Aspirin und nichts anderes.
Und wenn ich heute was erfinde und beschließe, ich verkaufe es nur in Apotheken, dann ist das  nur eine Entscheidung über den Vertriebsweg, nicht über die Qualität. Einige Cremen, die es bei uns nur in der Apotheke gibt, bekommt man in Frankreich beim Discounter.
Und bevor jetzt der Eindruck entsteht, ich würde keine Apotheken mögen. Doch, sehr sogar. Ich komme ursprünglich auch aus der Schulmedizin. Ich halte nur viel von gesundem Menschenverstand und Aufklärung und wenig von Panik-Verbreitung, hinter der nur und ausschließlich wirtschaftliche Interessen stehen. Ich bin immer extrem misstrauisch, wenn irgendwer glaubt, mich schützen zu müssen, das kann ich selbst auch ganz gut. Ob E-Zigarette, Nahrungsergänzung, Gesichtscremen oder Aloe – für mich zählt die Qualität des Produktes, nicht der Raum, in dem es verkauft wird. Und die bessere „Beratung“ hab ich in meinem Leben ganz oft von begeisterten, interessierten Laien erhalten, die das, was sie da empfehlen auch selbst probiert haben und es mit Überzeugung auch ihren Kindern geben würden.