Schlacken – und es gibt sie doch

Eine der wichtigsten Erkenntnisse im Laufe von 40 Jahren, die ich mich jetzt schon beruflich mit dem Thema Gesundheit beschäftige, war, dass es ganz oft auf das Wo im Körper ankommt. Und auf das Wann man etwas tut. Gerade beim Wo scheiden sich nämlich oft Schulmedizin und Naturheilkunde.

Wir hatten das schon beim Thema Übersäuerung. Gehen Sie heute mal zu einem Arzt und sagen Sie: „Herr Doktor, ich glaube, ich bin total übersäuert.“ Egal, was der Arzt sagt (das ist abhängig von der Freundlichkeit oder der Disziplin), denken wird er sich – „So ein Blödsinn, wärest du übersäuert, wäre es ein Fall für die Intensivstation.“

Warum? Weil es in der Medizin bei Übersäuerung (Azidose genannt) nur einen Ort gibt, wo man das sucht, das Blut. Und da misst man einfach den pH-Wert . Dieser gibt den Säure-Basen-Status an, 7 ist neutral, 1 sehr sauer, 14 sehr basisch. Und der Blut-pH ist eben immer 7,1- irgendwas und wenn es da hinter dem Komma auch nur eine kleine Veränderung gibt, dann – handelt es sich um eine ernsthafte Krankheit. Also nix mit Übersäuerung im Alltag einfach so durch zu viel Fleisch und zu wenig Gemüse.

Die Naturheilkunde sucht woanders, nämlich im Bindegewebe. Und da findet man sehr wohl eingelagert Moleküle als Resultat unserer Lebensweise, die genau das tun, was Säuren normalerweise tun – Wasserstoff abgeben. Also sagt man auch hier – Übersäuerung. Und knallt dann eben mit der Schulmedizin zusammen. Einfach nur, weil wir einen anderen Stadtplan haben, sagen wir den von Hamburg, die Schulmedizin aber den von Berlin. Und in unserer Gesellschaft gilt einfach das ungeschriebene Gesetz – der Stadtplan der Schulmedizin ist immer der richtige.

Und jetzt haben wir – aufgeploppt dadurch, dass die Wissenschaft Fasten wieder entdeckt hat, eine neue Diskrepanz zwischen dem, was Mediziner uns immer schon Nase rümpfend mitteilen wollten und dem, was stattdessen in der Naturheilkunde diskutiert wird – die Sache mit den Schlacken. Detox, Reinigung für Körper und Seele, Entschlacken, all das ist ein wichtiger Teil der nicht schulischen Heilkunde. Immer schon gewesen. Und Ärzte und diverse Journalisten-Mitläufer wollen uns allen ja seit vielen Jahren erklären – gibt’s nicht. Es gibt keine Schlacken, im Körper lagert sich nichts ab und Entgiftung oder Reinigung sind daher nicht notwendig. Weder im Darm noch sonst wo, schließlich haben wir ja die Nieren, die machen das schon.

Und jetzt – kommt man wieder einmal drauf, man hat an den falschen Stellen gesucht. Netterweise sind es aber jetzt die Wissenschaftler selbst, die uns beweisen – doch, gerade beim Fasten gibt’s eine ganz massive Reinigung. Nur nicht irgendwo am Popo und an den Oberschenkeln, sondern IN der Zelle selbst. Man nennt es Autophagie, im Zusammenhang damit wurde ein Nobelpreis vergeben und erforscht wurde – da darf man ein wenig Nationalstolz empfinden – in der kleinen österreichischen Stadt Graz. Und zwar im Rahmen der Anti-Aging-Forschung. Was lässt uns altern, was dagegen lässt uns länger jung und frisch bleiben.

Und siehe da, regelmäßiges Fasten, entweder Intervallfasten als ständiges Lebensprinzip oder mehrmals im Jahr für einige Tage, verlängert unsere Lebenszeit (nicht nur, weil wir beim Fasten nicht Kochen müssen und wir da ein paar Stunden einsparen können;-)). Und zwar, weil da ganz massiv gereinigt wird, nämlich in allen unseren Billionen Körperzellen. Alles, was sich beim ständigen Essen so an Müll angesammelt hat in der Zelle, wird nun, wenn es mal nichts gibt, verheizt und in Energie umgewandelt. Kein Kuchen, kein Schnitzel – okay, nehm ich halt zum Feuer machen mal den Müll, der da so herum liegt.

Diese Erkenntnis hilft aber auch uns allen, die wir mit dem Prinzip Fasten schon lange arbeiten, einige Mythen aus der Welt zu schaffen. Beispielsweise die, dass beim Nichts-Essen so viele Gifte frei werden, die mit Litern von Wasser ausgeschwemmt werden müssen. Oder dass diese „Gifte“ sich ablagern, beispielsweise in der Muttermilch. Nein, der Körper macht das viel genialer – er verbrennt den Schrott. Das meiste zumindest, und mit einem eventuellen Rest wird unser Körper dann tatsächlich spielend über die normale Ausscheidung fertig.

Es kommt also auf das WO drauf an, wenn wir von Körperreinigung sprechen. Und das WANN sagt uns: Ja, du darfst gern auch mal was essen, was nicht so ganz gesund ist, was einfach deiner Seele gut tut. Nur nicht immer. Mach Pausen.