Werbung und Weihnachten
Zu Weihnachten ist es besonders heftig. Nein, ich meine nicht die Weihnachtslieder in Endlosschleife oder dass es ab Mitte November überall nach Punsch riecht. Ich rede von Werbung. Überall „kauf mich“ – jetzt, sofort, Morgen ist nichts mehr da. Und ich verstehe, dass viele mehr und mehr genervt sind. Und dann gern das Kind mit dem Bade ausschütten und generell meinen – Werbung ist Teufelszeug und völlig überflüssig.
Nur – ich bin auch seit 35 Jahren Unternehmer, leite zwei Firmen (bald drei) und Werbung ist meine Welt. Übrigens auch für mein Hilfsprojekt Harambee, oder wie, glauben Sie, kommen die Spenden zusammen, mit denen am anderen Ende der Welt Kinder eine Schulbildung erhalten, wenn nicht dadurch, dass man Menschen mit der Nase drauf stößt? Man kann noch so gut sein, wenn es niemand erfährt, dann hat man Pech.
Was ich beim Thema aber besonders verlogen finde – wir lassen uns bereitwillig bei jedem Film zig Male unterbrechen, schimpfen vielleicht über ständige Höschenwindeln und Blasenschwäche, Waschmittel und Kinderschokolade, aber – niemand bestellt deshalb seinen Fernseher ab, surft nicht mehr im Netz (bei einem kostenlosen Computerspiel kommt nach jedem Level einmal Werbung), liest keine Zeitung mehr. Und oft regen wir uns sogar noch darüber auf, dass wir nicht informiert wurden, dass es da um die Ecke das ultimative Schnäppchen gab, haben aber zeitgleich den Aufkleber „Keine Werbung“ am Postkasten. Wir nehmen es also einfach hin, weil es normal ist, weil hinter dieser Werbung große Firmen stehen und weil wir sonst das nicht bekommen, was wir wollen – Filme, Zeitungsnachrichten, Spiele im Netz, echte Preisinformationen.
Plötzlich aber sind es immer häufiger nicht die großen Firmen, es sind Menschen, die ich kenne, die sich selbständig gemacht haben. Freunde vielleicht. EPUs – also Ein-Personen-Unternehmen. Teilweise hat man die wachsen gesehen, ihre Anfänge mitverfolgt, die ersten zaghaften Versuche beobachtet. Und all diese Kleinstunternehmer haben nicht die finanziellen Möglichkeiten, unsere Filme zu unterbrechen. Sie schreiben was auf Facebook, bitten um Likes, posten Fotos auf Instagram oder ja – schicken auch manchmal persönliche Nachrichten. Meine Tochter hat so angefangen, zaghaft, mit viel Idealismus, heute hat sie ein großes Unternehmen.
Und jetzt passiert das, was ich einfach nicht verstehe. Menschen, die sich Millionen schwere Werbung im Fernsehen gefallen lassen müssen, wittern hier endlich ihre Macht. Und regen sich auf. Statt ihren Freunden zu helfen, auf die Beine zu kommen. Zu liken, zu teilen und – ja auch zu kaufen.
Ich hab hier ein Prinzip seit gefühlten hundert Jahren:
Wenn ein Mensch, den ich kenne, geschäftlich was auf die Beine stellen will, dann unterstütze ich das. Falls es sich um Waren handelt, die ich brauchen kann, dann kaufe ich dort und nicht bei Herrn Billa, Hofer, Lidl oder Amazon. Auch wenn es etwas teurer ist. IMMER. Warum? Weil mich mit Herrn Billa, Hofer, Lidl nichts verbindet. Weil es mir egal ist, ob die Umsatz machen oder nicht. Bei meiner Freundin oder netten Menschen, die ich kenne, weiß ich aber, mein Einkauf kann den Unterschied ausmachen, ob sich diese Person nächsten Monat noch die Geschäftsmiete leisten kann oder nicht. So einfach ist das. Und wenn ich das Produkt nicht brauche, versuche ich zu liken, zu kommentieren, zu teilen.
Ich arbeite als zweite Firma im Direktvertrieb. Und netterweise deckt meine Partnerfirma viel ab. Aber bei allem, was wir nicht haben, schaue ich zuerst, welche anderen Direktvertriebsfirmen gibts, die das, was ich suche, haben. Ätherische Öle, Kerzen, Plastikschüsseln oder jetzt demnächst den ultimativen Staubsauger. Weil ich weiß, wie schwer es ist. Weil ich Menschen, die ich mag, eben auch so unterstützen kann und es gern tue. Weil ich deren Werbung im Gegensatz zu der großer Firmen niemals als Belästigung empfinde. Selbst dann nicht, wenn ich gar nicht die Zielgruppe bin. Was glauben Sie, wie oft ich Werbung für Zeugs und Dienstleistungen erhalte, die alle mit Kleinstkindern zu tun haben. Ich bin 60. Aber – alle diese Menschen sind Freunde oder zumindest gute Bekannte. Also like ich, kommentiere und teile. Denn viele hab ich bei ihren ersten Gehversuchen schon gekannt.
Versuchen Sie es mal, hören Sie ihrer Freundin zu, wenn Sie Ihnen erzählt, dass Sie sich gerade etwas aufbaut. Seien Sie eine gute erste Kundin, die ihr Hoffnung macht, dass sie das richtige tut. Erzählen Sie es weiter, verteilen Sie ihre Visitenkarte, schließlich rennen Sie ja auch mit der aufgedruckten Werbung vom Supermarkt auf der Tasche herum.
Und das nicht nur zu Weihnachten!