Über die Angst

AngstIn meinen Bachblüten-Kursen ist eine Schwierigkeit für die Teilnehmer immer die Unterscheidung der verschiedenen Angst-Blüten. Da gibt es natürlich die klar erkennbaren Ängste, Panik zum Beispiel, wenn man nachts schweißgebadet aufwacht. Keine Frage, Rock Rose. Und echte Phobien, wie die „Angst“ vor Spinnen, das ist auch klar, Aspen natürlich, genauso wie der Drache unterm Bett im Kinderzimmer. Und dann gibt es noch die realen Ängste. Angst vor einer Prüfung, dem Zahnarzt, dem Gerichtstermin. Nur leider, ganz so einfach ist es im Alltag nicht, denn viele unserer Ängste, die wir für real halten und bei denen wir uns gute Argumente zurecht legen, sind genauso irreal wie der Drache unter dem Bett eines 4jährigen, und das soll keineswegs abwertend gemeint sein.

Viele Ängste, die uns derzeit plagen, unterscheiden sich im Grunde in nichts von einer Spinnenphobie. Und eine Phobie ist nicht mit „Argumenten“ und Sachlichkeit in den Griff zu bekommen. Dem, der darunter leidet, klar zu machen, dass solche Krabbeltiere 1. nichts tun (als ob man tatsächlich vor einem Biss Angst hätte, so nah ließen wir sie gar nicht heran) 2. nützlich sind (für mich nicht, ich hab keine Fliegen in der Wohnung), 3. schöne Netze bauen, wahre Kunstwerke (kann sein, ein Bild an der Wand gefällt mir besser) und – das wohl blödeste aller Argumente, die ja viel mehr Angst vor mir haben als ich vor ihnen. Woher will irgendjemand wissen, wieviel Angst eine Spinne hat, die bei mir im Wohnzimmer herum sitzt. Wäre sie nicht reingekommen.

Und jetzt vergleichen wir das mal mit den Ängsten, die viele Menschen heute mit sich herumtragen und die sie zunehmend agressiv reagieren lassen (wie ein Blick in diverse Foren und in Soziale Netzwerke zeigt). Und auch, wenn es jetzt mal kurz politisch wird und mich manche vielleicht danach nicht mehr lieb haben, weil sie eben anderer Meinung sind – das Risiko gehe ich ein. Alter bedeutet auch, sich genau diese Freiheit leisten zu können. Ich behaupte also jetzt, dass die Angst vor Fremden, vor „den“ Flüchtlingen, Asylwerbern, vor muslimischen Mitmenschen oder Ausländern generell eine Aspen-Angst ist, daher mit Argumenten auch nicht zu beheben. So wie „die tut ja nichts“ bei einer Spinnenphobie nichts ändern wird, so werden Zahlen, die alle stimmen mögen, wie – in der EU leben mehr als 500 Millionen Menschen, selbst wenn 5 Millionen aus Syrien flüchten müssen, sind das gerade mal aufgeteilt 1% der Ursprungsbevölkerung – nichts bringen. Auch dass unser Sozialsystem nicht von Flüchtlingen bedroht wird, sondern in den letzten Jahren von Inländern im Nadelstreif, Bankern, Zockern, Politikern ohne Rückgrat ist ein Argument, das eine Aspen-Angst einfach nicht beseitigen kann. Auch nicht, dass es kein verbrieftes immerwährendes Recht gibt auf Glück und Wohlstand, dass Leben immer schon Veränderung bedeutet hat, auch schon bei unseren Großeltern, all das nimmt eine Aspen-Angst nicht.

Aspen ist Gefühl, Reptilienhirn nicht Großhirn, Urängste nicht Verstand, auch wenn manche es glauben und „dagegen“ sachlich argumentieren. Also kann man auch nur über das Gefühl etwas verändern. Und zu sehen, hier kommen Menschen mit einer Geschichte, einem dieser Menschen in die Augen schauen, das bringt mehr als  Gespräche auf der Sachebene. Und der Mensch ist zudem ein Herdentier. Je mehr sich engagieren und zeigen – tut gar nicht weh, umso eher möchte man dabei sein. Seien wir also viele. Und ganz oft merkt man schon, dass Menschen, vor Wochen noch in ihrer Aspenangst gefangen, heute helfen wollen, Wasser verteilen, Decken oder auch einfach nur nicht mehr dagegen sind.

Und zur Not stiften wir alle ein Fläschchen Aspen. Vielleicht mag ja der eine oder andere vorher noch einen Bachblütenkurs belegen, damit er/sie mit dem Nachbarn nicht nur diskutieren muss.

In diesem Sinne, gemeinsam gegen die Angst.